Wärme­plan Rostock 2035

30.05. 2022 | Lesezeit 5 min

Dr.-Ing. Dorian Holtz, Theta Concepts

Dr.-Ing. Dorian Holtz

Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock möchte die Wärmeversorgung bis 2035 vollständig von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien umstellen. Wir haben das Vorhaben „Wärmeplan Rostock 2035“ begleitet und Konzepte zur gesicherten Versorgung entwickelt.

Rostock klimaneutral bis 2035, Luftaufnahme

Überblick

Einführung

In der Regel ergibt sich in deutschen Kommunen der größte Endenergieverbrauch im Wärmesektor. Aus diesem Grund kommt der Wärmewende eine besondere Bedeutung bei. Hier finden sich große Hebel, um Treibhausgasemissionen einzusparen und große Schritte in Richtung klimaneutraler Kommune zu gehen. Gleichzeitig birgt der Wärmesektor große Herausforderungen bei der Transformation zu erneuerbarer Versorgung.

Der bundesweite Anteil erneuerbarer Energien ist im Wärmesektor vergleichsweise gering. 2021 lag der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamtdeutschen Wärmeversorgung bei gerade 16,5 %.  Soll die Wärme klimaneutral werden, so ist viel zu tun.

Die Wärmeversorgung ist eine regionale Aufgabe, zumeist in Verantwortung kommunaler Versorgungsunternehmen. Gleichzeitig ergeben sich bei der Transformation der Wärmeversorgung zentrale Fragestellung in Verantwortung der Stadtverwaltung. Soll die Wärmewende gelingen, so kommt es nicht nur auf die Wärmebereitstellung, sondern vor allem auch auf die Energieeinsparung an. Hier ist die Beteiligung großer Wärmeverbraucher, wie Wohnungsgenossenschaften, von zentraler Bedeutung.

Um ausgereifte Konzepte für die Transformation der Wärme zu erarbeiten, die Bedürfnisse aller relevanten Akteure zu berücksichtigen, Konsens und Akzeptanz zu erzeugen, bedarf es eines Wärmeplans.

Wärmeplan Rostock 2035

Nach einem Bürgerschaftsbeschluss 2020 hat sich die Hanse- und Universitätststadt Rostock das Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2035 klimaneutral zu werden. Klimaneutralität bedeutet eine Transformation in allen drei Sektoren: Strom, Wärme und Mobilität.

2019 lag der Anteil des Wärmesektors am Rostocker Endenergieverbrauch bei knapp 60 %. Eine Umstellung der Wärmeversorgung ist demnach von zentraler Bedeutung und bietet großes Potential in Richtung klimaneutraler Kommune.

Aus diesem Grund wurde der Rostocker Wärmeplan initiiert und die „Projektgruppe Wärmeplan“ als Steuerorgan der Rostocker Wärmewende integriert. Die Aufgabe der Projektgruppe besteht darin, Konsens unter allen an der Wärmeversorgung beteiligten Akteuren zu erzielen und belastbare Versorgungskonzepte als Grundlage der Wärmewende zu entwickeln.

Das Ziel besteht in umsetzbaren, sozialverträglichen, nachhaltigen und versorgungssicheren Konzepten für die erneuerbare Wärmeversorgung von Rostock.

Als Gruppenleiter für nachhaltige Energiewandlung am LTT Rostock bin ich Mitglied der Projektgruppe, darf diesen spannenden Prozess Wärmeplan Rostock 2035 begleiten und gemeinsam mit meinen beiden Mitgründern ein zentrales Element des Wärmeplans beisteuern.

Die Transformation der Rostocker Wärmeversorgung

Heute wird die Wärmeversorgung der Stadt Rostock etwa zur Hälfte durch Fernwärme gedeckt. Die andere Hälfte versorgt sich individuell, primär über Erdgas. Das Fernwärmenetz wird durch ein Gas-und-Dampf-Kraftwerk am Standort Marienehe sowie ein Steinkohlekraft im Überseehafen bedient, siehe nachfolgende Karte.

Wärmeplan Rostock 2035

Transformation der Rostocker Wärme (links: heutiger Stand, rechts: Erneuerbare Versorgung). Diese Karte dient nur zur Veranschaulichung. Die Standortfrage der zukünftigen Erzeugerparks ist nicht abschließend geklärt.

Soll die Wärmeversorgung klimaneutral werden, bedeutet das die Abkehr von fossilen Energien. Die Wärmeversorgung über Erdgas und Steinkohle muss zu erneuerbaren Energien transformiert werden.

Eine große Herausforderung besteht in der Verdrängung der individuellen Wärmeversorgung mit Erdgas. Gleichzeitig bedeutet eine Abkehr von Erdgas dieser Tage Versorgungssicherheit und Preisstabilität.

Leider existiert auf absehbare Zeit kein geeigneter Ersatz für Erdgas, der in den hohen Mengen gesichert zur Verfügung steht, um das Erdgas und die individuelle Wärmeversorgung mit Erdgas in Rostock abzulösen. Eine Substitution mit Biomethan ist aufgrund der geforderten Mengen ausgeschlossen. Eine Einspeisung von grünem Wasserstoff in das Erdgasnetz gelingt nur bis etwa 25-30 %, erfüllt aber aufgrund der schlechteren Wirkungsgradkette des Bereitstellungsprozesses nicht den Nachhaltigkeitsanspruch im Vergleich mit anderen Ansätzen.

Vor allem in den hochverdichteten Bereichen, wo eine individuelle Versorgung über Erneuerbare kaum darstellbar ist, wird Fernwärme von zentraler Bedeutung. Sie dient dazu, große Umweltwärmepotentiale und Restwärmepotentiale aus dem Stadtgebiet und unmittelbarem Umland aufzufangen und bedarfsgerecht zu verteilen. Gleichzeitig wird der Bedarf an erneuerbarem Strom reduziert.

Der Lösungsansatz besteht demnach im Ausbau der Fernwärme zur Verdrängung des Erdgases und bedarfsgerechten Verteilung von Wärme aus Umweltpotentialen und Abfällen.

Der Beitrag von Theta Concepts

Im Rahmen des Wärmplans wurden durch Partner verschiedenste Gutachten erstellt, um energetische Potentiale im Stadtgebiet zu beziffern. Um dem Nachhaltigkeitsanspruch gerecht zu werden, wurden lediglich Potentiale innerhalb des Stadtgebietes und im näheren Umland untersucht. Darüber hinaus wurden Gutachten zu Wärmebedarfen und möglichen Speichertechnologien erstellt.

Auf Basis aller Gutachten entwickelte das Team von Theta Concepts ein dynamisches Modell der Rostocker Wärmeversorgung inklusive zukünftiger Entwicklungen des Wärmebedarfs. Das Modell befähigt zur stundengenauen Analyse der Wärmeversorgung im Jahresverlauf mit dem Ziel, verschiedene Erzeugerkonfigurationen zu analysieren. Ein beispielhaftes Ergebnis ist in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

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Im Rahmen der Simulationen konnte festgestellt werden, dass verschiedene Erzeugerkonfigurationen eine Deckung der prognostizierten Bedarfe gewährleisten. Insgesamt sind fünf Erzeugerparks unter Berücksichtigung von Abwärmepotentialen, Großwärmepumpen, biogenen Reststoffen und thermischen Energiespeichern in der Lage, den Wärmebedarf zu decken. 

Jeder Erzeugerpark vereint Vor- sowie Nachteile hinsichtlich der Investitions- und Betriebsosten, Versorgungssicherheit, Flächenbedarfe und genereller Umsetzbarkeit vor dem Hintergrund infrastruktureller und baulicher Randbedingungen. In Bezug auf diese Zielparameter unterschieden sich die Erzeugerparks teilweise erheblich.

Dennoch existieren zwischen den Parks auch Überschneidungen – im Stadtgebiet anfallende Potentiale, die in jedem Szenario sinnvoll erscheinen. Sie sind die ersten Schritte in Richtung Klimaneutralität und der Zielkorridor der nächsten fünf Jahre.

Ausblick

Die fünf Erzeugerkonzepte sind zentraler Bestandteil des Wärmeplans. Im Juni 2022 wurde die Umsetzung des Wärmeplans durch die Rostocker Bürgerschaft beschlossen. Nun geht es in die Umsetzung und wir freuen uns, die Transformation zu begleiten.

Danke

Wir bedanken uns bei der Hanse- und Universitätsstadt Rostock für das in uns gesetzte Vertrauen. Gleichzeitig möchten wir uns bei allen Mitstreitern für die angenehme und sehr effiziente Zusammenarbeit bedanken. Wir freuen uns auf die nächsten Aufgaben…

Dr.-Ing. Dorian Holtz, Theta Concepts

Dr.-Ing. Dorian Holtz

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